Vor allem das Essen in der Kantine oder im Restaurant bereitete ihm zunehmend Sorge – denn die Verdauungsbeschwerden, vor allem Blähungen und fettige Durchfälle, traten in der Regel kurz nach den Mahlzeiten auf. Daher verzichtete der Versicherungskaufmann immer häufiger auf das Essen mit den Kollgen:innen in der Kantine und zog sich nicht nur am Arbeitsplatz immer weiter aus dem sozialen Leben zurück.
Zuerst versuchte der 57jährige die Verdauungsprobleme auf eigene Faust zu lösen – mit einer einseitigen Ernährung, bestehend aus Toastbrot, Haferflocken, laktosefreier Milch und Bananen. Doch auch die Vermeidung von fettigen Mahlzeiten verbesserte den Leidensdruck des Versicherungskaufmanns nicht merklich: Denn nicht nur die bestehenden Verdauungsbeschwerden machten ihm weiterhin zu schaffen, Hannes P. nahm auch immer weiter ab und aß irgendwann gar nicht mehr in Gesellschaft. Da fasste er sich ein Herz und sprach sein persönliches Tabu-Thema im Rahmen eines Routine-Checks bei seiner Hausärztin endlich an.
Der lange Weg zur Diagnose
Die Ärztin nahm vor allem die stetig wiederkehrenden Durchfälle sehr ernst und untersuchte ihren langjährigen Patienten zunächst auf gängige Nahrungsmittelunverträglichkeiten wie z.B. Laktoseintoleranz, die sich jedoch nicht bestätigten. Weitere Untersuchungen lieferten auch keinen Hinweis auf chronisch entzündliche Darmerkrankungen oder Gallensteine, die vor allem die massiven Probleme nach fettigen Mahlzeiten erklärt hätten. Eine ausführliche Befragung ihres Patienten ergab zudem, dass die Verdauungsbeschwerden nicht auf Stress zurückzuführen waren, denn auch in den Ferien oder am Wochenende waren die Symptome vorhanden. Somit war auch ein Reizdarmsyndrom für die Therapeutin unwahrscheinlich. Aufgrund des fortschreitenden Alters und der Tatsache, dass Hannes P. Raucher ist, veranlasst die Ärztin, die Funktion der Bauchspeicheldrüse zu untersuchen. Eine mögliche Erklärung, vor allem für die fettigen Durchfälle, die sie nach der Beschreibung von Hannes P. als Fettstuhl (medizinisch als Steatorrhoe) einschätzte, wäre eine Bauchspeicheldrüsenschwäche, bei der zu wenig Verdauungsenzyme gebildet werden, so die Erklärung der Ärztin. Eine exokrine Pankreasinsuffizienz sei nicht so selten und trete oft bei Rauchern auf, aber auch häufig bei hohem Alkoholkonsum und Vorerkrankungen wie Diabetes mellitus, einer Bauchspeicheldrüsenentzündung und bei Mukoviszidose, erläutert sie weiter. Bei diesen Patienten denke sie bei Verdauungsbeschwerden schnell an eine Bauchspeicheldrüsenschwäche, die in Fachkreisen als exokrine Pankreasinsuffizienz (EPI) bezeichnet werde.
Stuhluntersuchung bestätigt eine Bauchspeicheldrüsenschwäche
Aufgrund dieses Verdachts veranlasste die Hausärztin eine Stuhluntersuchung. Durch die Menge des Enzyms Pankreas-Elastase 1 im Stuhl könne ein Rückschluss gezogen werden, ob die Verdauungsbeschwerden auf eine Bauchspeicheldrüsenschwäche zurückzuführen seien, so die Ärztin. In diesem Fall produziere der sogenannte exokrine Teil der Bauchspeicheldrüse zu wenig körpereigene Verdauungsenzyme zur Spaltung von Kohlenhydraten, Fetten und Eiweißen in der Nahrung, erklärte die Ärztin, dann kämen der unzureichend aufgespaltene Nahrungsbrei in tiefere Darmregionen und verursache die beschriebenen Probleme. Nachdem die Werte der Laboruntersuchung vorlagen war klar, dass die Verdauungsbeschwerden mit einer eingeschränkten Funktion der Bauchspeicheldrüse in Verbindung stehen: Während der Normalwert für Erwachsene bei über 200 µg Pankeas-Elastase 1 pro Gramm Stuhl festgelegt ist, ergab die Laboranalyse nur einen Wert von 134 µg Pankreas-Elastase 1 pro Gramm Stuhl.
Enzymsubstitution aufgrund eine niedrigen Pankreas Elastase 1-Wertes
Wegen des erniedrigten Pankreas-Elastase 1 Wertes wurde bei Hannes P. angeordnet, fortan zu jeder Mahlzeit Verdauungsenzyme in Kapselform einzunehmen, und zwar sowohl zu den Haupt- und Zwischenmahlzeiten, aber auch zu fetthaltigen Getränken wie Shakes oder Milchkaffee. Um einen Überblick zu bekommen, zu welchen Mahlzeiten wie viele Enzymkapseln nötig sind, erhielt Hannes P. ein Enzymtagebuch, in dem er in den ersten Wochen notierte, wie viele Kapseln er zu welchem Essen benötigte. Zudem empfahl die Ärztin, wenn möglich das Rauchen stark einzuschränken oder im Idealfall ganz aufzugeben, da dies nicht nur schädlich für die Lunge, sondern auch für die Bauchspeicheldrüse sei. Mit dem empfohlenen Rauchstopp und der Einnahme von Rizoenzymen aus der Apotheke besserten sich die Verdauungsbeschwerden von Woche zu Woche. Nach 2 Monaten hatte der Versicherungskaufmann ein gutes Gespür dafür, welche Enzymdosis ausreichend ist, um nicht von plötzlich auftretenden Durchfällen und Blähungen nach dem Essen überrascht zu werden. Nach einiger Zeit traute sich Hannes P. wieder, gemeinsam mit Kolleg:innen in die Kantine zu gehen und endlich wieder am sozialen Leben teilzunehmen – nicht zuletzt weil er bei jedem Gang aus dem Haus überprüft, ob er Verdauungsenzyme für ein spontanes Essen außer Haus dabei hat.